Vorab übermittelte Fluggastdaten im Interesse der Luftsicherheit
von Simon Deignan
Am 24. Mai 2014 wurden im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen von einem Attentäter mit einem automatischen Gewehr des Typs Kalaschnikow getötet. Es war dies der erste Terroranschlag in Europa, zu dem sich der sogenannte Islamische Staat bekannte. Der Angreifer war Mehdi Nemmouche, ein 29-jähriger Franzose algerischer Abstammung, der über ein Jahr als Kämpfer in Syrien verbracht hatte.
Nemmouche war den für die Terrorismusbekämpfung zuständigen Behörden kein Unbekannter. Vor seiner Abreise nach Syrien 2013 war er auf eine Fahndungsliste gesetzt worden, was ihn aber nicht daran hinderte, mit Terroristen in den Kampf zu ziehen. Später wurde er sowohl auf eine europäische als auch auf eine internationale Fahndungsliste gesetzt.
Trotzdem gelang es Nemmouche im März 2014, über die Landgrenze in die Türkei zu gelangen, von dort ein Flugzeug nach Malaysia zu besteigen und anschließend von Singapur nach Frankfurt zu fliegen. Erst nachdem er den Flughafen Frankfurt verlassen hatte, fiel es den Behörden auf, dass er zurück in Europa war.
Hätten die Staaten systematisch vorab übermittelte Fluggastdaten (API) bei den Fluglinien eingeholt und diese mit den entsprechenden nationalen, regionalen und internationalen Fahndungslisten abgeglichen, dann wäre es Mehdi Nemmouche wahrscheinlich weniger leicht gelungen, zurück nach Europa zu fliegen und diesen Terroranschlag zu verüben.
Advance Passenger Information
Ein System für vorab übermittelte Fluggastdaten (API) ist ein elektronisches Kommunikationssystem, mit dessen Hilfe biografische Daten der Fluggäste und grundlegende Flugdaten bei der Fluggesellschaft eingeholt werden. Die Daten stammen in der Regel aus dem Reisepass oder anderen amtlichen Reisedokumenten des Fluggastes. Die Daten werden vor dem Abflug oder der Ankunft des Fluges am Bestimmungsflughafen über Luftverkehrs-Kommunikationsnetze an die Grenzschutzbehörden des Bestimmungs- beziehungsweise Herkunftslandes des Fluges weitergeleitet. Die OSZE-Außenminister verabschiedeten auf dem diesjährigen Ministerratstreffen in Hamburg einen Beschluss über die verstärkte Verwendung von API.
Die Rolle der OSZE
Die OSZE ist seit Langem für ihr Fachwissen in Sachen Grenzsicherheit und Grenzmanagement anerkannt. Sie hat eine zentrale Rolle bei der Entwicklung von Programmen gespielt, die sich mit Themen wie Sicherheit von Reisedokumenten oder ausländische terroristische Kämpfer befassen. Jüngst hat sie ein mobiles Schulungsteam für den Einsatz an Grenzübergängen an vordester Front eingerichtet, das Beamte in der Identifizierung von mutmaßlichen ausländischen terroristischen Kämpfern ausbilden soll.
Aufbauend auf ihrer führenden beratenden Rolle hat die OSZE vor Kurzem begonnen, die Teilnehmerstaaten zu einer besseren API-Verwendung zu ermutigen, um Reisen mutmaßlicher Terroristen zu verhindern. Im OSZE-Kontext und auf gemeinsam mit den Vereinten Nationen (VN) organisierten regionalen API-Veranstaltungen macht sie die Teilnehmerstaaten auf API-Erfordernisse gemäß den maßgeblichen VN-Bestimmungen, insbesondere aus den Resolutionen 2178 (2014) und 2309 (2016) des VN-Sicherheitsrats, aufmerksam. In diesen Resolutionen werden die Staaten aufgefordert, von den in ihrem Hoheitsgebiet tätigen Fluggesellschaften zu verlangen, den zuständigen nationalen Behörden API zu übermitteln, um die Bewegung von Personen in ihrem Hoheitsgebiet festzustellen, die der Absicht verdächtigt werden, Terroranschläge zu verüben.
Vom 29. November bis 1. Dezember 2016 organisierte die OSZE in Serbien in enger Zusammenarbeit mit dem Internationalen Luftverkehrsverband (IATA) und nationalen Experten aus anderen Ländern die erste Arbeitstagung einer Reihe nationaler Arbeitstagungen. Die Teilnehmer ermittelten die Stärken und Schwächen der nationalen Fluggasterfassung des Landes sowie seinen Bedarf an technischer Hilfe und skizzierten einen Fahrplan, der zu gegebener Zeit zur Schaffung eines API-Systems in Serbien führen wird.
Der Ministerratsbeschluss
Mit dem Beschluss, den sie auf dem Ministerrat in Hamburg zu diesem Thema fassten, setzten die OSZE-Außenminister einen wichtigen Schritt in Richtung einer verbesserten API‑Verwendung durch die Teilnehmerstaaten. Sie verpflichteten die OSZE-Teilnehmerstaaten, die Umsetzung der API-Resolutionen des VN-Sicherheitsrats zu fördern und auszuweiten. Die OSZE-Teilnehmerstaaten werden nationale API-Systeme in Übereinstimmung mit den vorhandenen internationalen Standards einrichten und danach trachten, die Daten automatisch mit Fahndungslisten abzugleichen. Der Text des Beschlusses enthält auch eine Bestimmung, die die OSZE-Durchführungsorgane beauftragt, die Teilnehmerstaaten dabei zu unterstützen.
Die Sammlung und Verwendung von API durch staatliche Behörden für die Zwecke der Ausreise-, Einreise- und Durchreise-Kontrolle von Flugpassagieren gewinnen zunehmend an Bedeutung für die Staatssicherheit. API-Systeme können sich nicht nur als wirksames Werkzeug für das Verbot der Reisetätigkeit von Terroristen und Beteiligten an grenzüberschreitender organisierter Kriminalität erweisen, sie verbessern ganz allgemein die Grenz- und Luftfahrtsicherheit, vor allem in Verbindung mit multilateralen Datenbanken für die Zwecke der Strafverfolgung, etwa jener der Internationalen Kriminalpolizeilichen Organisation (INTERPOL).
Zunehmender Druck auf Terroristengruppen in Konfliktzonen veranlasst ausländische terroristische Kämpfer in zunehmender Zahl zur Rückkehr in die OSZE-Region. Viele von ihnen stehen wahrscheinlich auf internationalen Fahndungslisten oder in Terroristendatenbanken. Die Verwendung von API ist ein weiteres Instrument in unserem Arsenal zur Verhinderung der Reisetätigkeit von Terroristen und zur Gewährleistung der Sicherheit unserer Bürger.
Simon Deignan ist Beigeordneter Programmreferent in der Abteilung Befassung mit grenzüberschreitenden Bedrohungen im OSZE-Sekretariat in Wien.
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