Der Klimawandel rückt in den Mittelpunkt - Im Gespräch mit Jeffrey Sachs
Galt der Klimawandel früher als „Gefahrenmultiplikator“, so ist er jetzt ein „Gefahrenkatalysator“[1], sagte Suzanne Goldenberg, Journalistin beim Guardian, anlässlich des Security Day zum Thema „Klimawandel und Sicherheit – beispiellose Auswirkungen, unvorhersehbare Risiken“, den Generalsekretär Lamberto Zannier am 28. Oktober 2015 in Wien veranstaltete.
Niemand leugnet mehr, dass sich der Klimawandel auf die Sicherheit auswirkt. Die Frage, auf die die Diskussionsteilnehmer bei dieser OSZE-Veranstaltung zu antworten versuchten, lautete: Was kann eine Organisation wie die OSZE tun?
„Meiner Meinung nach hat die OSZE hier eine ganz spezielle Rolle zu spielen“, sagte Jeffrey D. Sachs, Sonderberater des UN‑Generalsekretärs Ban Ki‑moon für die Millenniums-Entwicklungsziele und Direktor des Earth Institute der Columbia University, der sich via Internet mit Generalsekretär Zannier unterhielt.
Hier sind Auszüge aus dem Gespräch:
Lamberto Zannier: Das Sicherheitsverständnis, das wir hier im OSZE-Raum haben, beruht auf „Soft Security“ und Vertrauensbildung. Kann dieser Ansatz beispielsweise zur Überwindung des Nationalismus in Energiefragen beitragen?
Jeffrey Sachs: Ich glaube, das ist sehr wichtig. Wenn auf der einen Seite kurzfristigere vertrauensbildende Maßnahmen stehen und auf der anderen Seite ein OSZE-weites Bekenntnis zu kohlenstoffarmer Energiesicherheit, dann wäre das sehr zu begrüßen, denn, wenn es eine OSZE-weite Planung gibt, dann wird die gegenseitige Abhängigkeit der einzelnen Regionen sichtbarer.
Wir haben ständig – im täglichen Leben und in allen Sicherheitsfragen, die uns beschäftigen, – die Wahl zwischen Konfrontation und Kooperation. Und natürlich beruht die OSZE auf der Vorstellung, dass Zusammenarbeit jener Ansatz ist, der alles zu einem positiven Endergebnis bringt, darin liegt, glaube ich, eine Grundwahrheit. Wenn wir an der ukrainischen Grenze oder im Südchinesischen Meer wieder in einer Art Kaltem Krieg enden, werden wir diese Probleme der nachhaltigen Entwicklung niemals lösen.
Am stärksten spürbar sind die Auswirkungen des Klimawandels auf lokaler Ebene. Sehen Sie Möglichkeiten für „Bottom-up“-Ansätze unter Einbindung der Zivilgesellschaft?
Ich glaube, eine Sache ist wirklich wichtig: die Menschen müssen überall begreifen, wo die Gefahren und Probleme liegen, nicht nur ganz allgemein und weltweit, sondern auch vor ihrer Haustüre, da sich die Lage von Region zu Region unterscheidet.
Es ist äußerst wichtig, Instrumente zu entwickeln, die es Menschen an jedem Ort ermöglichen, auf eine Karte zu schauen und zu sagen, „ich weiß jetzt, was diese Herausforderung für mich und die Menschen in meiner Umgebung bedeutet“, und dann konsequent ihre Stimme zu erheben, damit alles geplant wird, was im Bereich des Möglichen liegt. Ich arbeite gerade im Auftrag von Generalsekretär Ban Ki‑moon an einem Netzwerk, dem Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen (SDSN). Ich glaube, für die OSZE und das SDSN wird es eine ganz praktische Möglichkeit geben, zusammenzuarbeiten, nach dem Motto: „Mobilisieren wir das Netzwerk der Universitäten in der OSZE, lassen wir sie zusammen mit der Sicherheits-Community und der Außenpolitik-Community der Frage nachgehen, wie lokale und regionale Umweltrisiken abgeschwächt werden können.“
Sehen Sie eine Rolle für uns beim Aufbau von Partnerschaften mit Akteuren jenseits der zwischenstaatlichen Ebene, bei der Einbindung von Industrie und Privatwirtschaft in das Thema Klimasicherheit?
Absolut. Sie wissen, dass Organisieren und Vernetzen sehr zeitaufwändige, schwierige und kostspielige Tätigkeiten sind, das ist ja die Kernaufgabe der OSZE, diese Art von Vernetzung ist daher ein großer Dienst an der Gemeinschaft.
Ein Netzwerk, mit dem ich eng zusammenarbeite, ist der Weltunternehmerrat für nachhaltige Entwicklung, eine weltweit herausragende Vereinigung von Unternehmern, die sich der schwierigen Aufgabe angenommen hat, Unternehmertum und nachhaltige Entwicklung unter einen Hut zu bringen.
Wenn sich die OSZE und der Weltunternehmerrat zusammentun und sagen könnten, „seht, wir arbeiten an denselben Orten und jetzt auch an ähnlichen Problemen, aber von etwas unterschiedlichen Standpunkten aus, wie können wir unsere Arbeit gegenseitig verbessern?“ – ich glaube, das würde schon viel bringen.
Verfolgen Sie die Diskussionen auf den Security Days unter www.osce.org/sg/secdays.
[1] Unter Bezugnahme auf einen 2015 aktualisierten Bericht des Military Advisory Board des Center for Naval Analysis der Vereinigten Staaten.
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